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6.2 Auszug aus „The Roots of Chinese Qigong“, Kapitel 9,
Die Regulierung des Atems (Tiao Xi) von Dr. Yang, Jwing-Ming

9-1 Atmen und Gesundheit
Unmittelbar nach der Geburt fingen wir an, uns auf die beiden Hauptquellen
der Essenz zu verlassen, die unseren Körper mit dem Notwendigen versorgen. Wenn diese beiden Essenzen, Nahrung und Luft, vom Körper aufgenommen werden,
werden sie in Qi verwandelt. Das Qi, das aus der Nahrung gewonnen wird, heißt „Shi Qi“ (Nahrungs-Qi), das aus der Luft gewonnene Qi „Kong Qi“ (die Chinesen nennen Luft „Kong Qi“).
Das Qi aus diesen beiden Quellen wird nachgeburtliches Qi oder Feuer-Qi genannt. Obwohl der Körper Feuer-Qi benötigt, kann dieses die Alterung unseres Körpers beschleunigen, wenn es von schlechter Qualität ist.
Um die Gesundheit zu erhalten und um ein langes Leben zu erlangen, müssen wir die Qualität dieser Quellen ernst nehmen. Das Bemühen um geeignete Nahrungsmittel und gute Luftqualität ist
bis heute ein wichtiger Teil der Qigong Übungen. In diesem Kapitel behandeln wir das Luft-Qi und den Nutzen, den wir von der Regulierung des Atems haben.
Um zu verstehen, wie der Atem reguliert wird, müssen wir wissen, wie wir beim Ein- und Ausatmen Luft aufnehmen. Die Lungen selbst können die Luft nicht hereinbringen und ausstoßen. Damit die Luft die Lungen
erreicht und sie dann ausgestoßen werden kann, müssen sich die Muskeln um die Lungen und das Zwerchfell ausdehnen und zusammenziehen, und dabei die Luft einsaugen und aus dem Brustkorb ausstoßen.
Dabei mischt sich der Sauerstoff mit dem Blut in den Lungenzellen und das Blut gibt das Kohlendioxid, das es trägt frei. Wenn sich das Zwerchfell
bei der Atmung hebt und senkt massiert es die inneren Organe und vermehrt das Kreisen des Qi.
Ist der Sauerstoff einmal mit dem Blut vermischt, wird er zu jeder
Körperzelle befördert, damit sie funktioniert. Wird der Sauerstoff knapp, bemerkt es das Gehirn zuerst. Aus Versuchen weiß man, dass die Gehirnzellen viel mehr Sauerstoff benötigen als die Muskelzellen.
Immer wenn der Sauerstoff nicht ausreicht, fühlt man sich schwindelig, schwer und kann nicht klar denken.
Nach der Geburt behält ein Säugling die Gewohnheit bei, aus dem
unteren Unterleib zu atmen. Der Atem ist tief. Weil ein Kind eine Menge Sauerstoff aufnimmt, ist sein Geist normalerweise klarer als bei einem Erwachsenen. Ab dem 30. Lebensjahr wird der Atem
flacher und findet eher um den Magen herum statt als um den Bauch. In diesem Alter hat man noch genug Sauerstoff zur Versorgung des Körpers, und das Zwerchfell hebt und senkt sich noch aktiv. Diese Bewegung erhält
die Gesundheit aufrecht. Bei zunehmendem Alter wird der Atem allmählich flacher, weil man sich auf die Bewegung der Brust verlässt um zu atmen.
Nun können Gedächtnislücken auftreten, und die Denkfähigkeit und die geistige Klarheit lassen nach. Aufgrund der Flachheit der Atmung bewegt sich das Zwerchfell nicht mehr aktiv, und es massiert die
inneren Organe nicht mehr. Das Qi stagniert und die Organe altern. Durch die Knappheit an Sauerstoff beschleunigt sich auch die Alterung der Körperzellen.
Somit versteht sich, wie wichtig das Atmen für die Gesundheit ist. Im Qigong ist die Regulierung des Atems die wichtigste Übung. Der erste Schritt zur Erhaltung der Gesundheit besteht
in der Vermehrung der Sauerstoffzufuhr. Wir müssen die Atmung tief unten in unserem Unterleib wie ein Säugling wiederaufnehmen. Die Übung heißt „Fan Tong“, das bedeutet „zurück zur Kindheit“.
Wenn wir genügend Sauerstoff haben, sind wir in der Lage, zu entspannen, den Geist zu klären und das Qi kreisen zu lassen.
9-2 Regulierung des Atems
Es ist wichtig zu lernen, den Atem so zu regulieren, dass wir genug Essenz aus der Luft gewinnen, damit das Luft-Qi den Körper nicht überreizt und ihn zu sehr zu mit Yang füllt. Wir müssen uns um die Qualität
der Luft kümmern, die wir einatmen und die verschiedenen Atemmethoden kennen lernen, die für verschiedene Ziele eingesetzt werden. Im ersten Stadium der Regulierung unseres Atems wird er ruhig,
gleichmäßig und friedvoll. Wenn wir diesen Punkt erreicht haben, ist der nächste Schritt, den Atem tief, knapp, lang und weich zu machen. Das ist die Voraussetzung für eine erfolgreiche Qigong Praxis.
Um den Atem ruhig, gleichmäßig und friedvoll zu machen, müssen wir zuerst unseren Geist regulieren. Wir haben gesehen, dass der Geist das Hauptschaltzentrum unseres gesamten Seins ist.
Ist unser Geist nicht ausgeglichen und ruhig, sind unsere Emotionen aufgewühlt. Die Emotionen hängen eng mit unserem Atem zusammen. Wenn wir z.B. wütend oder aufgeregt sind, atmen wir stärker aus als ein.
Wenn wir traurig sind, atmen wir stärker ein als aus. Wenn unser Geist friedvoll und ruhig ist, sind Ein- und Ausatmung in etwa gleich lang.
Deshalb müssen wir bei Qigong Atemübungen zuerst
den emotionalen Geist “xin” regulieren. Dadurch können wir auch unseren Atem regulieren, der wiederum es uns erlaubt,
den Geist tiefer zu regulieren. Je ruhiger und tiefer der Geist ist, desto ruhiger und tiefer wird der Atem sein. Nachdem man lange Zeit geübt hat, ist der Atem voll und knapp und
unser Geist ist sehr klar. Es heißt: „ Xin Xi Xiang Yi“, das bedeutet „Herz (Geist) und Atem (sind) abhängig voneinander“. Wenn wir diesen meditativen Zustand erreichen, verlangsamt
sich der Herzschlag und unser Geist ist sehr klar; wir haben die Sphäre der wirklichen Meditation erreicht.
Wenn der emotionale Geist aufgewühlt ist, betrifft das normalerweise
nicht nur unseren Atem, sondern auch den Qi-Fluss. Machen wir uns klar, dass unsere Emotionen auf die inneren Organe bezogen sind. Z.B. kann Ärger ein Ungleichgewicht in der Qi-Zufuhr der Leber bewirken.
Glücksgefühle können unser Herz „yangisieren“. Furcht kann die Qi-Zufuhr zur Blase beeinträchtigen. Es ist somit offensichtlich, dass wir zur Regulierung des Qis
in unserem Körper zuerst den emotionalen Geist regulieren müssen. Die Regulierung des Atems hilft uns dabei.
Die andere Seite der Medaille ist, dass wir unseren Atem auch benutzen können,
um das Yi zu steuern. Wenn unser Atem gleichmäßig ist, ist es als ob wir das Yi hypnotisieren würden, was dabei hilft es zu beruhigen. Es gibt aber eine andere Methode, wie wir den Atem nutzen können,
um das Yi zu steuern. Immer wenn man Nahrung oder Luft von minderwertiger Qualität aufnimmt, neigt man dazu, Sodbrennen durch das Übermaß an Feuer-Qi zu bekommen, das normalerweise im
mittleren Dantian sitzt (Solarplexus). Dadurch werden die Emotionen aufgerührt und unser Weisheits-Geist (“Yi”) wird gestört.
Wenn wir den Atem regulieren, um das Herz Feuer zu zerstreuen und
den emotionalen Geist (“Xin”) zu regulieren, beruhigen wir auch unser Yi.
Wir haben festgestellt, dass Yi und Atem voneinander abhängen. Tiefes und ruhiges Atmen entspannt uns, hält den Geist klar und füllt die Lungen mit viel Luft, so dass das Gehirn und der
gesamte Körper eine angemessene Zufuhr an Sauerstoff bekommen. Weiter ermöglicht tiefes und ruhiges Atmen die Hebung und Senkung des Zwerchfells, wodurch die inneren Organe massiert und stimuliert werden.
Deshalb werden Übungen zur tiefen Atmung auch „Übungen der inneren Organe“ genannt.
Zum Schluss noch ein weiterer Punkt: Die Regulierung des Atems ist nicht nur der Schlüssel,
um den Geist in ein tieferes und ruhigeres Stadium der Meditation zu führen, sie ist auch der Schlüssel um das Qi zu den Körpergliedern und zur Haut zu führen. Wenn das Qi zu den Körpergliedern geleitet wird,
kann es die Leitbahnen in den Gliedern öffnen und den großen Kreislauf vervollständigen (Da Zhou Tian) und auch die Effizienz der Muskeln zu mehr Kraft steigern, die in den Kampfkünsten benötigt wird.
Wenn das Qi zur Haut gelenkt wird, können wir den Schild des Schutz-Qis [“wei-chi”
] stärken und vergrößern, was uns vor Krankheit bewahren kann, die durch äußere negative Einflüsse hervorgerufen werden.
„The Roots of Chinese Qigong
“

von Dr. Yang, Jwing-Ming
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Weitere Informationen über die Theorie & Praxis der Schulung des Atems [2] [3]
Danke für Ihr Interesse
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